Zur Baugeschichte unserer „Liebfrauenkirche“

 

Die evangelische Liebfrauenkirche in Schotten wird auch als der „Vogelsberger Dom“ bezeichnet.

Dieser Name hängt eng mit den Gegebenheiten in Schotten während der Bauphase der „Liebfrauenkirche“ zusammen.

Die heutige Kirche wurde in der Zeit zwischen 1320 und 1380 erbaut. Zu einer Zeit, in der die Siedlung „ad scotis in buchonia“ [bei den Schotten im Buchenland], wie es in der ersten urkundlichen Erwähnung aus dem Jahr 778 heißt, deutlich weniger Bewohner als heute hatte. Man vermutet um die 600 bis maximal 1.000 Einwohner. Von daher ist die Liebfrauenkirche eigentlich erheblich überdimensioniert gewesen. 


Wissen muss der Besucher jedoch, dass die Verleihung der Stadtrechte durch Kaiser Karl IV. in den Jahren 1354 und 1356 erfolgte und die Kirche selbst von Anfang an als Wallfahrtskirche für eine größere Besucherzahl als die Zahl der Bürger der Siedlung Scho tten ausgelegt war. Belegt ist dies durch noch heute in der Kirchengemeinde vorhandene Ablassbriefe aus den Jahren 1330 und 1351.

 

Bauhistorisch ist die „Liebrauenkirche“ eine dreischiffige, querschifflose Hallenkirche von vier Jochen, deren westlichste Jochreihe jedoch bereits dem zweitürmig geplanten Westbau angehört (wobei die zwei Türme nie errichtet wurden). Von einer einheitlichen Anlage des Kirchenbaues kann ebenfalls nicht die Rede sein. Vielmehr erkennt der Fachmann und fachlich interessierte Laie, dass der östliche Teil mit seinen schlichteren, gotischen Formen der ältere und der reich und gewaltig angelegte Westbau der spätere Bauteil sind. Klar erkennbar ist, dass der Westteil baulich nicht abgeschlossen wurde. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Bauhistoriker weisen demgegenüber nach, dass als Vorbild für den Bau der Schottener Kirche die Elisabethkirche in Marburg, die älteste Hallenkirche Hessens, gedient hat, wie überhaupt dieser in der Epoche der Frühgotik errichtete Kirchenbau richtungsweisend für den Bau der oberhessischen Hallenkirchen war. Was jedoch den Innenausbau und die der Ausstattung dienenden Kunstwerke anbelangt, so sind diese eindeutig dem mittelrheinischen Kunstkreis zuzuordnen. Dies ist eindeutig an dem Schottener Flügelaltar festzumachen, der in den Jahren 1385 bis 1390 durch einen namentlich nicht bekannten Meister geschaffen wurde.

Der Marienaltar der Liebfrauenkirche Schotten zählt zu den Hauptwerken der spätgotischen Malerei des Mittelrheins. Da der Name des Malers unbekannt ist, wird er nach seinem Werk Schottenmeister genannt. Dir geschätzte Entstehungszeit 1385 unserer Zeitrechnung ergibt sich aus bestimmten Eigentümlichkeiten, wie z. B. die Anfänge einer perspektivischen Darstellung von Räumen, die vorher noch nicht und später nicht mehr so anzutreffen ist. Auffällig ist auch die Aufnahme jüdischer Symbole, wie hebräische Schriftzeichen auf der Altardecke des Tempels, und die ganz bewusste Zeichnung einiger Figuren als Juden durch Judenhüte, die zur damaligen Zeit von Juden getragen werden mussten.

Der Marienaltar in Schotten stellt damit eins der frühsten Zeugnisse jüdischen Lebens im Vogelsberg da.

Die Orgel wurde 1782/83 „…von der Frankfurter Orgelbauer-Werkstatt Philipp Ernst Wegmann erbaut.

Sie stand bei ihrer Erbauung auf der Empore eines heute nicht mehr vorhandenen Lettners vor dem Chorraum. Nach Abbruch des Lettners hatte sie von 1861 bis 1972 ihren Platz auf der Südempore, die jetzt als Chorempore dient. Im Jahre 1972 versetzte man die Orgel bei einer Generalüberholung auf die Westempore.

Die Orgel vereinigt 31 klingende Register auf zwei Manualwerken und Pedal. Damit hat sie einen Bestand von insgesamt 2002 Pfeifen. Das Instrument besitzt sog. Schleifwindladen mit mechanischer Spieltraktur.“

(aus dem Kirchenführer)